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Erste Erfahrungen mit dem Medium Film machte er nicht theoretisch, sondern als Kamera-, Schnitt- und Produktionsassistent ab 1953. Ebenfalls 1953 betrieb Reitz eine eigene Studiobühne. Im gleichen Jahr entwickelte er für die Deutsche Verkehrsausstellung in München ein Simultan-Projektionsverfahren für 120 bewegliche Leinwände.
Im Jahr 1962 wurde er Leiter Experiment und Entwicklung bei der Firma Insel-Film. Gemeinsam mit Alexander Kluge gründete er 1963 das mit der Hochschule für Gestaltung Ulm verbundene „Institut für Filmgestaltung“. Dort lehrte er Regie und Kameratheorie bis zur Schließung der HfG 1968. Reitz beteiligte sich mit der Gruppe um Kluge am Oberhausener Manifest von 1962 auf den dortigen Kurzfilmtagen. Die versammelten Jungfilmer forderten damit nicht weniger als ein neues Kino: „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.“ Das Motto „Papas Kino ist tot“ war der Titel jener Pressekonferenz. Fortan wurde auch in Deutschland das Konzept des Autorenfilms populär, der in den Folgejahren wesentlich durch Edgar Reitz mitgeprägt wurde.
Eine seiner ersten Auszeichnungen erhielt Reitz 1967 für seinen SpielfilmMahlzeiten auf dem Festival in Venedig, wo dieser als das beste Erstlingswerk prämiert wurde. 1971 gründete er in München die Edgar Reitz-Filmproduktion (ERF). Die universitäre Zusammenarbeit mit Kluge setzte Reitz nun auch mit gemeinsamen Autorenfilmen fort, darunter den fiktiven Dokumentarfilm 1974: In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod.
Die Filmreihe Heimat
Der aufwändig produzierte Film Der Schneider von Ulm (1978), der den sozialen Absturz des Ulmer Flugpioniers Berblinger nacherzählt, wurde auch für Reitz zur finanziellen Bruchlandung. In dieser Krise entstand die Idee für ein Filmprojekt über seine Heimat, den Hunsrück. Was sich anfangs wie ein Selbstfindungsversuch ausnahm und 1981 zunächst zu einem später als Prolog dienenden zweistündigen Dokumentarfilm über den Hunsrück führte, weitete sich schließlich zur fast 60 Stunden umfassenden Filmreihe Heimat aus, die sowohl bei den Zuschauern sehr erfolgreich war als auch mit Kritikerlob und Preisen überhäuft wurde. Die Hauptteile der als Trilogie angelegten Reihe erschienen 1984, 1992 sowie 2004. Sie wurde 2006 mit dem Epilog Heimat-Fragmente: Die Frauen vollendet. Reitz gelang mit diesem Langzeit- und Monumentalprojekt eine ganz neue Sichtweise, nämlich eine poetische wie realistische Annäherung an die deutsche Vergangenheit, wie sie sich in der Provinz abgespielt haben könnte.
Ab 2011 arbeitete Edgar Reitz an einem Spielfilm, der eine Art Vorgeschichte der Trilogie darstellt und die Epoche des Vormärz anhand der Auswandererwelle aus dem Hunsrück nach Brasilien Mitte des 19. Jahrhunderts thematisiert. Die Dreharbeiten der deutsch-französischen Koproduktion dauerten vom 17. April bis 10. August 2012. Der knapp vierstündige Film kam am 3. Oktober 2013 unter dem Titel Die andere Heimat in die Kinos.
2015 erschien „Heimat“ in einer digital überarbeiteten Version als „Heimat remastered“. „Die zweite Heimat“ wurde im Jahr 2022 in einer digital restaurierten Version vorgestellt.
Weiteres Schaffen
In den 1970/80er Jahren publizierte Reitz zahlreiche Bücher und Artikel über Filmtheorie und Filmästhetik, darüber hinaus auch Erzählungen, Essays, Lyrik und literarische Fassungen seiner Filme.
1995 gründete Edgar Reitz erneut ein Filminstitut mit, diesmal das „Europäische Institut des Kinofilms (EIKK)“ in Karlsruhe, und wurde im selben Jahr auch zum Professor für Film an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe berufen. Später wurde er der Vorsitzende des Beirats des EIKK, in dem Kollegen vertreten sind wie Theo Angelopoulos, Alain Tanner, Jean-Luc Godard, István Szabó.
2005 zog sich sein langjähriger Freund und Teilhaber Robert Busch aus der Firma Edgar Reitz-Filmproduktion (ERF) zurück. Seither betreibt Reitz mit seinem Sohn, Christian Reitz, die Firma Reitz & Reitz-Medien GbR mit Sitz in München. Ein weiteres Projekt ist Ortswechsel, ein Stummfilm mit Live-Orchesterbegleitung. Der Film wurde am 20. Oktober 2007 bei den Musiktagen in Donaueschingen uraufgeführt. 2009 erschien eine digitalisierte Fassung seiner früheren Werke als DVD-Ausgabe (Edgar Reitz – Frühwerk).
Wirkungsgeschichte
Der Schriftsteller Andreas Maier bekannte, Reitz habe ihn bei seinem „Heimat-Herkunfts-Projekt“ Ortsumgehung „sehr beeinflusst“.
Privates
Edgar Reitz ist in dritter Ehe mit der Sängerin und Schauspielerin Salome Kammer verheiratet und lebt im Münchner Stadtteil Schwabing, am Rand des Englischen Gartens.
Zitate
„Heimat ist immer etwas Retrospektives. Ein Gefühl des Verlusts.“
– Edgar Reitz
Literatur
Werke (Auszug)
Heimat. Eine Chronik in Bildern. Bucher, München 1985, ISBN 3-7658-0487-8.
mit Peter Steinbach: Heimat. Eine deutsche Chronik. Dreh- und Lesebuch mit allen 658 Szenen. Greno, Nördlingen 1988, ISBN 3-921568-20-X.
Constantin-Film (Hrsg.): Der junge deutsche Film. Dokumentation zu einer Ausstellung der Constantin-Film, München 1967.
Reinhold Rauh: Edgar Reitz. Film als Heimat. Heyne Filmbibliothek, München 1993, ISBN 3-453-06911-0.
Werner Barg: Erzählkino und Autorenfilm. Zur Theorie und Praxis filmischen Erzählens bei Alexander Kluge und Edgar Reitz. Fink, München 1996, ISBN 3-7705-3001-2.
Marion Dollner: Sehnsucht nach Selbstentbindung. Die unendliche Odyssee des mobilgemachten Helden Paul im Film „Heimat“. Mit einem Interview mit Edgar Reitz. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2005, ISBN 978-3-86110-384-4 (zugleich Dissertation, Universität Mannheim).
Matteo Galli: Edgar Reitz. Il Castoro Cinema, Mailand 2006, ISBN 88-8033-386-0.
↑Ehren-Edgar. Heimat-Fanpage, 29. August 21, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. August 2021; abgerufen am 29. August 2021.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/heimat-fanpage.de