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Ein Atominterferometer ist ein Interferometer, das die Welleneigenschaften von Atomen ausnutzt. Mit Atominterferometern lassen sich fundamentale Konstanten wie die Gravitationskonstante mit hoher Genauigkeit bestimmen, möglicherweise aber auch Phänomene wie Gravitationswellen untersuchen.
Die Interferometrie basiert auf den Eigenschaften von Wellen. Wie Louis de Broglie in seiner Dissertation postulierte, können sich Teilchen, also auch Atome, wie Wellen verhalten (sogenannter Welle-Teilchen-Dualismus) – dies ist ein zentrales Prinzip der Quantenmechanik. Für Experimente, die eine sehr hohe Genauigkeit erfordern, werden zunehmend Atominterferometer eingesetzt, da Atome eine sehr kleine De-Broglie-Wellenlänge haben. In einigen Experimenten werden sogar Moleküle verwendet, um noch kleinere Wellenlängen zu erreichen und die Grenzen der Gültigkeit der Quantenmechanik zu erforschen. In vielen Experimenten mit Atomen sind die Rollen von Materie und Licht im Vergleich zu Laser-basierten Interferometern vertauscht; statt Licht interferiert Materie. Die Quantenzustände der interferierenden Atome werden mit Laserstrahlung kontrolliert. Die Wirkung dieser Laserstrahlen entspricht z. B. der von Spiegeln und Strahlteilern in einem optischen Interferometer.
Die Verwendung von Atomen ermöglicht höhere Frequenzen (und damit Genauigkeiten) als mit Licht, allerdings sind die Atome auch stärker der Schwerkraft ausgesetzt. In einigen Apparaturen werden die Atome nach oben geschleudert, und die Interferometrie findet statt, während sich die Atome im Flug oder im freien Fall befinden. In anderen Experimenten werden zusätzliche Kräfte angewendet, um die Gravitationskräfte zu kompensieren. Diese geführten Systeme erlauben im Prinzip unbegrenzte Messzeiten, ihre Kohärenz wird jedoch noch diskutiert. Neuere theoretische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Kohärenz in geführten Systemen erhalten bleibt, dieses ist aber noch experimentell zu bestätigen.
Die ersten Atominterferometer verwendeten Schlitze oder Drähte als Strahlteiler und Spiegel. Spätere Systeme, insbesondere geführte Systeme, nutzten Lichtkräfte zur Aufteilung und Reflexion der Materiewelle.
Ein Fontänen-Interferometer basiert im Prinzip auf dem Mach-Zehnder-Interferometer. Eine Atomwolke wird in eine Superposition von zwei Impulszuständen gebracht, die dann unterschiedlich beschleunigt werden. Da sie sich im Schwerefeld der Erde befinden, durchlaufen die beiden Wellenpakete unterschiedlich hohe Parabelbahnen. Am Scheitelpunkt werden die beiden Impulse vertauscht, sodass die Strahlen gleichzeitig wieder auf Abschusshöhe auftreffen und dort interferieren. Das beobachtbare Interferenzbild gibt Aufschluss über die Phasenverschiebung durch Effekte wie unterschiedliche Gravitation, Erdrotation oder Raumzeitkrümmung.
Der gesamte Aufbau kann bis zu 10 Meter hoch sein, trotzdem sind die Strahlen meist nur wenige Millimeter voneinander entfernt.
Die verwendeten Atome, meist Alkalimetalle, werden bis knapp über den absoluten Nullpunkt gekühlt. Außerdem wird heute meist ein Bose-Einstein-Kondensat verwendet.
Um die Interferenz beobachten zu können, müssen die Atome in eine Superposition zweier Impulszustände gebracht werden (Strahlteilung). Dazu werden die Atome mit zwei antiparallelen Laserpulsen mit dem Wellenvektor und Impuls beschossen, die gerade die Anregungsenergie der Atome haben. Absorbiert nun ein Atom ein Photon, so wird es nicht nur angeregt, sondern übernimmt auch den Impuls des Photons, bewegt sich also in die Richtung des entsprechenden Lasers. Koppelt das angeregte Atom nun mit einem anderen Photon, kommt es zur stimulierten Emission, und es wird wieder ein Photon mit dem Impuls emittiert. Danach hat das Atom einen Impuls von oder .
Der Übergang in den angeregten Zustand erfordert jedoch einen Drehimpulsübergang. Durch rechts- bzw. linkshändige Polarisation des Laserlichts kann ein Laser für die Anregung und ein Laser für die stimulierte Emission verwendet werden. Dabei werden die Atome nur in eine Richtung beschleunigt.
Aufgrund der Dopplerverschiebung „sehen“ die bewegten Atome eine leicht verschobene Laserfrequenz, die nicht mehr genau der Anregungsfrequenz entspricht. Um dies zu korrigieren, hat der zweite Laser eine etwas niedrigere Frequenz.
Spontane Emission findet auf einer viel größeren Zeitskala statt als die stimulierte Emission und kann daher hier weitgehend vernachlässigt werden. Auch Mehrfachanregungen der Atome werden stark unterdrückt, da durch die Dopplerverschiebung die Laserfrequenz für eine zweite Anregung zu hoch ist.
Durch die Einstellung von Dauer und Intensität des Laserpulses lässt sich genau die Hälfte der Atome auf einen Impuls beschleunigen, während die andere Hälfte in Ruhe verbleibt. Dieser Laserpuls wird wegen der Entsprechung einer Drehung auf der Bloch-Kugel als -Puls bezeichnet und fungiert als Strahlteiler.
Wegen der Dopplerverschiebung ist es nun möglich, die beiden Impulszustände getrennt zu beschleunigen. Dies geschieht durch mehrere Laserpulse, die nun allerdings so stark sind, dass fast alle Atome beschleunigt werden (-Pulse). Dadurch wird die gewünschte Flugbahn erreicht.
Damit die beiden Wellenpakete am Abschusspunkt wieder in Phase sind, befindet sich am Scheitelpunkt der Flugbahn ein „Spiegel“. Wieder wird unter Ausnutzung der Dopplerverschiebung durch -Pulse der Impuls des höheren Wellenpakets verringert und der des niedrigeren erhöht.
Wie bei der Erzeugung der Superposition befindet sich am Ende der Parabelbahn wieder ein Strahlteiler, hinter dem die beiden Strahlen dann interferieren.
Gruppe | Jahr | Atomarten | Methode | Gemessene(r) Effekt(e) |
---|---|---|---|---|
Pritchard | 1991 | Na, Na2 | nanostrukturiertes Beugungsgitter | Polarisierbarkeit, Brechungsindex |
Clauser | 1994 | K | Talbot-Lau-Interferometer (nutzt den Talbot-Effekt) | |
Zeilinger | 1995 | Ar | Beugungsgitter aus stehenden Lichtwellen | |
Sterr (PTB) | Ramsey-Bordé | Polarisierbarkeit, Aharonov-Bohm-Effekt: exp/theo , Sagnac | ||
Kasevich, Chu | Doppler-Effekt bei fallenden Atomen | Gravimeter: Rotation: , Feinstrukturkonstante: |
Die Trennung von Materiewellen kompletter Atome wurde 1929 das erste Mal beobachtet von Estermann und Stern, als Wasserstoffmolekül- und Helium-Strahlen an einer Oberfläche von Lithiumfluorid gebeugt wurden. Die ersten berichteten modernen Atominterferometer waren 1991 ein Doppelspaltexperiment nach Young mit metastabilen Helium-Atomen und einem mikrostrukturierten Doppelspalt von Carnal and Mlynek und ein Interferometer mit drei mikrostrukturierten Beugungsgittern und Natrium-Atomen in der Gruppe um Pritchard beim MIT. Kurz danach wurde bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) festgestellt, dass ein optisches Ramsey-Spektrometer, welches üblicherweise in Atomuhren verwendet wird, auch als Atominterferometer verwendet werden kann. Die größte räumliche Trennung zwischen Paketen von Partialwellen von 54 cm wurde mittels Laserkühlung und stimulierten Raman-Übergängen durch Chu und Mitarbeiter in Stanford erzielt.
Atominterferometrie ist ein relativ neues und sich schnell entwickelndes Gebiet. Man hofft, zahlreiche Naturkonstanten wie die Gravitationskonstante und Feinstrukturkonstante präziser bestimmen zu können als dies mit herkömmlichen Methoden realisierbar ist.
Durch die Reaktion auf bereits kleine Beschleunigungsunterschiede lassen sich auch Rotationen wie beispielsweise durch die Corioliskraft oder Gravitation messen.
Außerdem lassen sich fundamentale Theorien der modernen Physik überprüfen wie die allgemeine Relativitätstheorie. Dies geschieht zum Beispiel durch die Vermessung der gravitativen Rotverschiebung durch die unterschiedlichen Bahnen der Wellenpakete im Gravitationspotential der Erde. Auch viele nicht etablierte Theorien lassen sich durch Atominterferometrie überprüfen, wie beispielsweise Theorien für Dunkle Materie oder Quantengravitation.